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Was Herr Schmidt über Herrn Hörstels Partei sagt

 

Er kommt aus Thüringen, wohnt jetzt in Nordbayern und ist extra mit nach Stuttgart gekommen an diesem Samstag, für den großen Wahlkampf. Jetzt steht er mit einem Dutzend anderer Partei-Kollegen am Rand des Schlossplatzes in der Stuttgarter Fußgängerzone und versucht, Passanten zu überzeugen, dass die Großen, die, die uns so viel wegnehmen, nie erwischt werden und nie in den Medien vorkommen.

 

 

 

Der durchaus freundliche Herr um die 60 mit dem weißen Bart und dem Karo-Hemd, nennen wir ihn mal Herr Schmidt, agiert unauffällig. Unter einem Pavillon gibt es eine Wand, an die Passanten per Schablone ihre Wünsche für die Bundestagswahl mit schwarzer Farbe rollern können. „Euro abschaffen“ steht da schon, und „Lügenpresse kontrollieren“. „Was würden Sie sich denn wünschen, was sich verbessern soll?“, spricht Herr Schmidt auch mich an.

 

 

 

Herr Schmidt gehört zur neuen Partei Deutsche Mitte (DM). „Die hat als Bürgerbewegung angefangen. Ich hab mir dann mal angeguckt, was die so wollen und bin nach zehn Minuten eingetreten. Ich war sofort überzeugt!“ Die Deutsche Mitte will billigere Bahnpreise für alle, das Kindergeld verdoppeln, Steuern senken, internationale Handelsverträge abschaffen, freie medizinische Grundversorgung für alle, die „Homo-Ehe“, aber nur mit Ausnahme-Adoptionen und nur bei leiblichen Kindern, den Euro abschaffen, „Banken-Zockerei“ verbieten, Gentechnik-freie Landwirtschaft und wieder Landwirte „ohne EU-Diktat“. Jeder volljährige Bürger soll außerdem das Recht haben, ein kostenloses Grundstück mit einer Größe von 400 Quadratmetern als Privateigentum zu erhalten und frei bewirtschaften zu können, um „volle Ernährungssouveränität“ zurückzuerhalten. Ausgerechnet hat der Parteivorstand auch, was das bedeuten würde: „9,1% der Landesfläche“ würde das lediglich belegen. Nicht mitgerechnet hat die Deutsche Mitte die Eigentumsverhältnisse und Land-Verteilungen in Deutschland. Ich komme gar nicht dazu, die Wörter „Enteignung“ und „Umwidmung“ zu erwähnen und dass wir so was in der Geschichte doch schon mal hatten, Herr Schmidt ist bereits beim nächsten Thema.

 

 

 

Beziehungsweise: Er hat eigentlich nur ein Thema: Frieden. Frieden sei die Leitlinie der Deutschen Mitte. Er sagt: „Was mischt sich Deutschland in den Krieg in Afghanistan ein?“ Er sagt aber auch: „Der deutsche Soldat steht wieder an der Ostfront.“ In der Erklärung zum DM-Themenkomplex „Frieden“ steht: „Echte Heimatverbundenheit eint alle Völker“.

 

 

 

Die Partei hat auch eine Band dabei. Die steht da, wo sonst auf dem Schlossplatz die Kurden demonstrieren und informieren. Herr Schmidt sagt, wir müssen wieder zurück zu den Nationalstaaten. Der Sänger der Band, der auch der Partei angehört, sagt, die Großen, die uns das Geld wegnehmen, die sieht man nicht. Stattdessen zeigten die Medien Florida-Rolf, und der soll schlecht sein. Während die wahren Verbrechen finanzieller Art woanders passieren.

 

 

 

Herr Schmidt sagt, der Euro ist am Wirtschaftselend schuld, der muss weg. „2020 werden wir wieder nationale Währung haben.“ Dann sagt Herr Schmidt: „Die EU-Minister haben wir nicht gewählt.“ Das EU-Parlament muss weg, überhaupt die EU-Institutionen müssten weg. Ich wende ein, wie Europa ohne Institutionen funktionieren soll und wer dann entscheidet? „Die Geldpolitik der EU hat Länder wie Polen doch erst kaputt gemacht“, antwortet Herr Schmidt. Die müssten alleine klar kommen können. Sein Punkt ist klar die Ostpolitik, da fühlt er sich allein schon als Ex-DDR-Bürger eher verbunden. Ich wende ein, dass es vorher schon jahrelang Subventionen beispielsweise für Irland gab und dass wir aktuell eher ein Problem mit den südlichen Staaten haben. Und dass meine Generation das aber grundsätzlich super findet, frei reisen zu können und keine Grenzen zu haben, die Freizügigkeit genießen zu können. „Ja von mir aus sollen sich Leute ja auch begegnen können“, sagt Herr Schmidt. Ich frage, wie man die EU zwar größtenteils gut finden kann, aber für die Abschaffung ihrer Institutionen ist. Herr Schmidt sagt, es müsse unabhängiger zugehen. „Frieden muss doch das Ziel sein.“ Herr Schmidt sagt noch einmal: „Wir müssen zu Nationalstaaten zurück.“

 

 

 

Der Band-Sänger erzählt gerade, dass es keine Reichsbürger-Bewegung gibt und dass die meisten Medien lügen. „Heutzutage werden alle Freiheitsdemonstranten, die neue Friedensbewegung, also auch die Deutsche Mitte, gleich als Faschisten beschimpft, als Radikale!“ Xavier Naidoo würde falsch verstanden. Und währenddessen unterstütze die deutsche Bundesregierung einen Krieg in Syrien.

 

 

 

Herr Schmidt sagt, „die in Russland sind Leute wie Sie und ich. Denen geht es gut unter Putin. Waren Sie mal in Russland? (ja, war ich, und da ging es den Leuten 200 km südlich von Moskau in der Provinz Ryazan eher nicht so gut.) Die Menschen stimmen zu 85% Putin zu. Das wird immer total falsch dargestellt. Die USA will eine Freundschaft zwischen Deutschland und Russland verhindern. Aber das ist doch unser Nachbar!“ Ich sage, dass es kein Wunder ist, dass Putin angeblich hohe Zustimmung erhält, wenn es keine Opposition gibt, wenn Leute weggesperrt oder mundtot gemacht werden, wenn es keine Meinungs- und Pressefreiheit gibt und wenn die Armut so groß ist, dass die Menschen von der Regierung abhängig gemacht werden. Herr Schmidt sagt, das sei einfach nicht wahr. Das wäre wie in der DDR damals, da würden Informationen unterdrückt. Oder erfunden.

 

 

 

Ich sage, dass ein anderes Beispiel die Türkei ist und dass er das dort doch wohl nicht negieren könne, dass das Land zunehmend unfrei ist, Menschen in ihrer Freiheit beschnitten werden. Herr Schmidt sieht mich kurz mit leeren Augen an, nickt, guckt dann wieder in die Ferne und sagt: „Es muss um Frieden gehen, parteiunabhängig.“ Ich versuche es noch mal anders und sage, dass Politik generell nicht auf eine Partei reduziert werden könne, schon gar nicht auf ein Land, und wie denn sonst Politik funktionieren solle, wenn nicht parlamentarisch? Und wer sich denn sonst bitte um die Türkei kümmern solle, wenn die Deutsche Mitte die NATO und alle angeblich imperialistisch handelnden Institutionen ablehnt? Wieder murmelt Herr Schmidt was davon, dass es unabhängiger zugehen müsse. Und dass man gleich für alle anderen Verschwörungstheoretiker ist, wenn man diese Dinge aufzeige.

 

 

 

Gegenüber bauen die Piraten ihren Stand auf. Als Ein-Mann-Betrieb. Der Gründer der Deutschen Mitte, der Ex-ARD-Reporter Christoph Hörstel, hat mal die Piraten beraten. Bei ihrer Arbeitsgruppe Friedenspolitik. Ein Jahr später gründete er die Deutsche Mitte. Und dief noch kleinere Partei Neue Mitte.

Die Band spielt den Song „Kein Sex mit Nazis“. Herr Schmidt sagt, die wollen uns das Bargeld wegnehmen. Ich widerspreche und sage, dass das jetzt total verkürzt ist, dass Schäuble lediglich gesagt hat, dass der Geldtransfer auf 5.000 Euro beschränkt werden soll und dass es unter anderem darum geht, dass es immer aufwändiger wird, Bargeld auf Falschgeld zu überprüfen. Herr Schmidt ist aufgeregt. „Nein, das stimmt nicht! Das steht doch so im Internet! Das kann man überall nachlesen, googeln Sie mal! Das stand auch mehrfach im 'Focus'.“ Ja, der “Focus“ als seriöses Medium... Ich versuche, das Thema zu wechseln.

 

 

 

Ein Junggesellinnenabschied taucht vor dem Stand auf und versucht, die Deutsche-Mitte-Männer (Wo sind überhaupt die Frauen? Hat die Partei keine?) zum Kauf eines Schnaps oder so zu überreden. Pink trifft auf blau-weiß gestreifte Hemden. Die jungen DM-Männer gucken hilflos und halten den Mädels ihre Flugblätter hin. Sie sind ebenfalls blau-weiß. Ein zusätzliches Flugblatt, mit dem man die Positionen der DM mit denen der anderen Parteien vergleichen kann, hat einen orangenen Rahmen. Ein CDU-Orange. Auf einen Blick lässt sich erfassen: Die Deutsche Mitte ist eine Partei der Ja-Sager. Allerdings wird hier auch zusätzlich zum Kurzprogramm deutlich, was die Deutsche Mitte noch will: eine neue Verfassung zum Beispiel. „Außenpolitik ist Friedenspolitik“ hört sich erst einmal gut an. Darunter steht aber kleiner „Wir bringen Millionen schrittweise zurück in die Heimat.“ Ethik ist hier ein anderes Wort für Patriotismus.

Herr Hörstel ist wie Herr Schmidt ein Putin-Versteher. Er war bereits häufig bei "Russia Today" zu Gast. Auch im "Contra-Magazin", das seinen Sitz laut Impressum auf den Seychellen und den Philippinen hat, ist Herr Hörstel gefragter Gesprächspartner. Das "Contra-Magazin" kooperiert teilweise mit dem "christlichen Medienmagazin pro" des umstrittenen Vereins KEP in Wetzlar. Herr Hörstel sagte dem SWR mal, die CIA sei in den Anschlag vom 11. September 2001 verwickelt gewesen. Herr Hörstel hat ein Buch über "Terrormanagement" geschrieben. Darin ist seine These, dass die USA die Taliban unterstützen, obwohl sie nach außen hin Terrorismus bekämpfen. Die Deutsche Mitte lehnt deutsche Soldaten bei internationalen Konflikten ab. Herr Hörstel hat aber auch mal die ISAF beraten. Herr Hörstel rühmt sich damit, der einzige Journalist in Kabul während des Sturzes der Taliban gewesen zu sein. Herr Hörstel hat sein letztes Buch über Afghanistan, Pakistan und die Nato - er hat drei geschrieben - im Compact-Verlag herausgebracht.

 

 

 

Alle reden von der AfD, aber es sitzen längst Extremisten im Bundestag!“, singt die Band. Herr Schmidt sagt noch, Gerichte müssten auch unabhängig werden. Ich weiß, Frieden und Freiheit und so. Sage ich aber nicht, sondern bedanke mich für das Gespräch und gehe. Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass Herr Schmidt genauso gut auch auf einer Pegida-Demo stehen könnte. Soll ich mich jetzt darüber freuen, dass er lieber für die Deutsche Mitte auf dem Schlossplatz steht?