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Gleich, gleicher - sorry, nur Redakteure

1970 verklagen Rechercheurinnen des New Yorker Magazins "Newsweek" ihren Arbeitgeber, weil sie die gleiche Arbeit machen - oder sogar mehr - als die Redakteure des Magazins, aber dafür viel weniger Geld bekommen. Die 46 Frauen bekommen Recht, der Weg für Frauen, auch Reporterinnen und Redakteurinnen zu werden, ist frei.

 

Eine, die dabei war, Lynn Povich, beschrieb den Arbeitskampf in ihren Memoiren. Vor zwei Jahren wurde diese Geschichte Stoff für eine Amazon-Prime-Serie. "Good Girls Revolt" lief Ende 2015 in den USA und Ende letzten Jahres bei uns in Deutschland.

 

Spiegelbild der gesamten Ära

 

Sie ist bei aller Schwere der Thematik auch witzig-spritzig, mit all dem Charme und der Leichtigkeit des ausgehenden Hippie-Zeitalters, mit starken Charakteren, auch bei den Rollen für die Männer, und "Good Girls Revolt" vermittelt wie nebenbei Feminismus-Grundwissen und gibt sehr gute Einblicke in das Arbeiten einer Redaktion allgemein. Und noch marginaler, aber dafür nicht in marginaler Bedeutung, geht es auch um Rassen-Konflikte und Hierarchien und das Zusammenwirken von Politik und Medien. Und da es auch die Ära das von Hunter S. Thompson begründeten Gonzo-Journalismus war, kommt der natürlich auch vor, gespiegelt in der Konkurrenz-Situation des fiktiven Magazins mit dem "Rolling Stone" und seinen außergewöhnlichen, sehr objektiven, eher popkulturellen Reportagen.

 

Das Besondere: Fast das gesamte Team bei und um "Good Girls Revolt" bestand aus Frauen, es gab neben den Schauspielerinnen auch Produzentinnen und Drehbuchschreiberinnen. Das gab es in dieser Variante vermutlich vorher nur bei "The L Word", der Showtime-Serie um eine Clique lesbischer Frauen in LA (hier ein interessantes Interview mit Produzentin und Erfinderin Ilene Chaiken).

 

Eine zweite Staffel wird es nicht geben

 

Die erste Staffel endet mit dem Sieg der Frauen vor Gericht. Für die Zuschauerinnen ist es allerdings kein Sieg, denn trotz positiver Rückmeldungen und guten Abrufen wurde entschieden, dass "Good Girls Revolt" abgesetzt wird und es keine zweite Staffel wie ursprünglich geplant gibt (unter #ggh gab es auf Twitter breiten Protest). "Es wurde entschieden" heißt vor allem, dass ein einzelner Mann entschieden hat, der kein Fan der Serie war, aber am längsten Hebel sitzt: Roy Price, der Leiter der Produktionsfirma Amazon Studios. Eine kleine Hoffnung, dass die zweite Staffel eventuell auf einem anderen Kanal eines anderes Netzwerks ausgestrahlt wird, gab es Ende Dezember noch, weil die Produktionsfirma, eine Sony-Tochter, versuchte, sie an jemand anders zu verkaufen, aber diese Pläne gelten seit Mitte Januar als gescheitert. Sehr schade. Auch für die Identifikation von Frauen, speziell Journalistinnen, mit "Good Girls Revolt". "Mad Men", mit der "Good Girls Revolt" immer verglichen wurde, lief übrigens mit sieben Staffeln auf TV-Kanälen.

 

"Good Girls Revolt" als Write-Opener für deutsche Medien zu Ungleichheit im Journalismus

 

Interessant ist auch, dass "Good Girls Revolt" in Deutschland kaum besprochen wurde, nur in zwei Zeitungen und dem "Missy Magazine", ansonsten eher auf Serien- und TV-Webseiten.

Entdeckt wurde die Serie aber dann Anfang des Jahres, um einen anderen Zusammenhang und Vergleich herzustellen, etwa bei der "Süddeutschen". Um nämlich den Fall von Birte Meier "zu illustrieren".

 

Birte Meier ist seit neun Jahren feste Freie beim ZDF-Magazin "Frontal 21". Sie arbeitet 40 Stunden die Woche für das Magazin. Sie hat in Gesprächen festgestellt, dass ihre Kollegen für die gleiche Arbeit viel mehr Geld bekommen. Also hat sie geklagt. Das Problem: Die Kollegen sind festangestellte Redakteure, sie ist eben Freie, ein Arbeitsverhältnis, wie es bei den Öffentlich-Rechtlichen üblich ist. Die wenigsten sind komplett fest angestellt. Feste/r Freie/r zu sein, ist zwar ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis, also mit Sozial- und Krankenversicherung durch den Arbeitgeber, aber offensichtlich in einigen Bereichen mit gravierenden Lohn-Unterschieden verbunden.

 

Klage 2017 abgewiesen

 

Nun wurde am Donnerstag nach mehreren Verhandlungstagen Meiers Klage abgewiesen. Mit eben dieser Begründung: Meier sei nicht fest angestellt und könnte sich mit den Redakteuren nicht vergleichen. Jetzt hat Deutschland zwar das AGG, aber eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts ist schwer nachzuweisen. Das möchte man dem ZDF auch nicht vorwerfen. Etwas komisch muten in diesem Zusammenhang aber Aussagen des Richters an, der Sachen verlautbaren ließ wie "Klar können Frauen weniger verdienen, sie können ja schließlich auch schwanger werden".

Die zweite Möglichkeit, einfach mal das Arbeitsrecht auf Anwendung in Birte Meiers Fall hin zu prüfen, wurde nicht wahrgenommen. Denn ebenfalls in Deutschland gilt nach europäischem Recht: für die Entscheidung über Gleichbehandlung bei Gehaltsfragen müssen die reinen Tätigkeiten verglichen werden. Das hatte Meiers Anwalt gefordert. Der Richter aber hat nur den Status gesehen. Und so kam es gar nicht dazu, Arbeitsleistungen zu vergleichen. Laut SZ argumentierte man so: "Dem Richter zufolge konnte Meier eine Ungleichbehandlung nicht eindeutig nachweisen. Dass auch männliche Kollegen mit Freien-Status mehr verdienen, begründete der Richter mit der längeren Betriebszugehörigkeit."

 

Es ging um 70.000 Euro. Das ZDF hatte Meier einen Vergleich angeboten: Sie bekomme das Geld nachgezahlt, wenn sie das Arbeitsverhältnis beende. Und hier haben wir das nächste Problem: In Zukunft wird sich also wohl kaum eine Frau trauen, Meiers Vorbild zu folgen und zu klagen, wenn das bedeutet, dass sie ihren Job verliert und noch dazu von Gerichten zumindest verbal diskriminiert wird (interessantes Interview mit der Vorsitzenden des Journalistinnenbundes dazu hier).

 

Das Problem ist strukturelle Ungleichheit

 

Der deutsche Journalismus hat ein Problem - und hier wäre dem Richter als auch Entscheidern beim ZDF wohl mal das Gucken von "Good Girls Revolt" zu empfehlen, denn dort sind die Männer nicht die Feinde der Frauen, sondern lediglich betriebs- und realitätsblind. Denn woher kommt es wohl, dass vorwiegend Männer Redakteursposten inne haben und längere Betriebszugehörigkeit vorweisen können? Warum wohl arbeiten vor allem Frauen als Cutterinnen? Mit den Gründen von struktureller Benachteiligung von Frauen innerhalb der Medienbetriebe muss sich offensichtlich auch im Jahr 2017 noch beschäftigt werden. Ein bitteres Aha-Erlebnis zum neuen Jahr.

Und Mädels, wir brauchen mehr Solidarität statt Hennenkrieg unter uns. Und Frauen-Bünde. Frei nach Pippi Langstrumpf: Bildet Banden!

 

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