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Was Hillary Clinton von Marilyn French lernen könnte

Am Sonntag konnte ich "Günther Jauch" nur halb gucken. Eigentlich guck ich das gar nicht, wie überhaupt Talkshows nur noch sehr selten, weil es einfach zu durchschaubar, gleichförmig und ärgerlich ist.

Aber Jauch hatte am Sonntag eine Premiere, für die er und sein Produktionsteam sich wahrscheinlich noch jahrelang rühmen werden, und so hab ich die Sendung nachgeguckt: die erste All-Women-Show. Es waren zwar nur drei Gästinnen, die dafür aber hochkarätig: Margot Käßmann, Ursula von der Leyen und Hillary Rodham Clinton.

Und nicht nur das: Das Weibliche und Frauen in der Politik und die Gläserne Decke waren sogar Thema! Und das gleich relativ am Anfang. Direkte Fragen von Jauch, und Clinton, wie sie lächelnd und nickend zugab, dass es immer noch eine Gläserne Decke gibt, vor allem in der Politik, dass diese Brüche bekommen hätte, dass es aber noch lange nicht langt, dass mehr getan werden müsste, dann ihr Bekenntnis, in diesem Sinne Feministin zu sein und die von von der Leyen und Käßmann hintendrein (von der Leyen Feministin??).

Es war eine starke Aussage der ehemaligen First Lady, die nun selbst Präsidentin der Vereinigten Staaten werden möchte, obwohl sie die geschlechtspolitischen Fragen weggelächelt hat, wie sie eigentlich alles in dieser Stunde weggelächelt und weggenickt hat. Ein bisschen Clinton Wackeldackel. Interessanterweise mit einer Körpersprache, die eindeutig männlich geprägt war: zu keinem Zeitpunkt die Beine übereinanderschlagen, die Hände immer oben, mit dezenten, aber bestimmten Gesten die Aussagen unterstreichend.

Zwischendrin wurden Fotos eingeblendet von der jungen Hillary während der Flowerpower-Zeit, als sie im Studium ihren Bill kennen lernte. Ich möchte ihr nicht unterstellen, dass sie zu dieser Zeit nicht politisch war. Aber sie war jung, von der Euphorie der Zeit getragen, sie war in einer privilegierten Stellung und auch einer privilegierten Beziehung. Später erfüllte sie an der Seite von Bill starr und angepasst ihre Rolle.

Interessant, dass Clinton da bei Jauch ausgerechnet Eleanor Roosevelt als Vorbild nennt. Eleanor, die bereits mit 18 mit Franklin D. verheiratet wurde, ihm sechs Kinder gebar, seine Affären und Seitensprünge ertrug, diese Ehe aufrecht hielt, als ihr Mann Präsident wurde. Und erst dann anfing, selbst politisch aktiv zu werden. Eleanor, die höchstwahrscheinlich lesbisch war oder zumindest bisexuell und in einer anderen Zeit und unter anderen gesellschaftlichen Bedingungen vermutlich ein ganz anderes Leben geführt hätte. Nicht nur für Clinton ist sie ein großes Vorbild, sondern für viele Amerikanerinnen, darunter auch viele Journalistinnen, was vermutlich an Roosevelts "girls press club" liegt und der damals noch unbekannten Art, mit Medienvertretern umzugehen, nämlicher persönlicher, emotionaler.

Aber zurück zu den 70ern: Ich habe mich gefragt, ob Hillary Clinton Marilyn French gelesen hat.  French ist weltweit (leider) eine der vergessenen Autorinnen (ich habe 2008 für ZEIT Online da mal drüber geschrieben), dabei sollte die überzeugte Feministin meiner Meinung nach mindestens genauso berühmt sein wie Eleanor Roosevelt. Gerade in dieser Zeit, als Hillary Clinton sich in allen Bereichen des Lebens, Ausbildung, Familienleben, Beziehung, soziales Umfeld, in der elitären Oberschicht der USA einzurichten begann, machte French unermüdlich darauf aufmerksam, wie sehr die Herkunft bei Frauen in den USA immer noch den entscheidenden Unterschied macht und dass, bevor überhaupt irgendeine Gläserne Decke erreicht werden kann, die gesellschaftlichen Unterschiede dadurch zementiert werden. Ihr Schlüsselwerk "Frauen" (Original angelehnt an Virginia Woolf: "The Women's Room") sollte auch heute noch von den ganzen Alphamädchen und neuen Feministinnen gelesen werden. Erstaunlich viel ist bis heute übertragbar. Hätte Clinton bei Jauch Marilyn French als Vorbild oder Einfluss genannt, plus die Ankündigung, nach solchen Erkenntnissen handeln zu wollen - sie hätte mich trotz des ganzen Lächelns und Nickens am meisten beeindruckt.

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